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00:00:00: Maras Harakiri mit Anlauf.

00:00:06: Wie der Wirtschaftskammerchef bis Donnerstag früh um sein politisches Überleben kämpfte und warum sein missglückter PR-Move einen Tsunami an Kritik losdraht, erzähle ich Ihnen in dieser Kolumne.

00:00:18: Außerdem hören Sie heute, wer nach Interimmspräsidentin Marta Schulz Harald Mara auf Dauer beerben könnte.

00:00:27: Montagabend reiste er noch unvertrossen, kämpferisch zur Landesversammlung des steirischen Wirtschaftsbunds in Graz an.

00:00:34: Offiziell stand die Wiederwahl von Kammerchef Josef Herk als Obmann des Wirtschaftsbunds an.

00:00:40: Tatsächlich ging es den ganzen Abend um den seit einer Woche lodernen Sprengsatz, den Harald Mara seit Tagen wortreich zu entschärfen versuchte.

00:00:49: Monatelang hatte der Wirtschaftskammerchef höchstpersönlich lautstark propagiert, heuer müssten bei den Gehaltsverhandlungen alle Federn lassen, nur so können zum einen die Inflation und vor allem das ungesund explosive Wachstum bei Lohnstückkosten gedämpft werden, um auf den Exportmärkten wieder wettbewerbsfähiger zu sein.

00:01:09: Das Mantra trug Früchte.

00:01:11: Die Beamten-Gewerkschaft kübelte erstmals ein bereits gesetzlich parkiertes Gehaltsplus und gab es nachträglich billiger.

00:01:19: Auch die mächtige Metaller-Gewerkschaft leistete ähnlich Tribut.

00:01:24: Und für hunderttausende Pensionistinnen und Pensionisten bleibt die Erhöhung zweitausendsechsundzwanzig unter der Inflationsrate.

00:01:33: Im Präsidium der Wirtschaftskammer winkten im Oktober alle Fraktionen, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Gehaltsplus für die fünftausend achthundert Mitarbeiter durch, das mit vier Komma zwei Prozent in Zeiten wie diesen mehr als übig ausfiel.

00:01:48: Seit die Presse Anfang November den Sündenfall öffentlich machte, legte Harald Mara täglich neue Pirouetten zur Schadensbegrenzung hin.

00:01:57: Statt reflexartigem Flankenschutz brandeten jedoch auch aus den eigenen Reihen immer mehr offene und nur sperrlich verklausulierte Rücktrittsauforderungen auf.

00:02:07: Bei seiner Visite in der Steiermark wusste sich Harald Mara nach stürmischen Tagen endlich wieder auf freundschaftlichen Boden.

00:02:14: Ich habe den Harald auch schon anders erlebt, aber bei uns hat er an diesem Abend einen exzellenten Auftritt hingelegt, resümiert ein Teilnehmer.

00:02:23: Der Steirer Josef Herg, der Burgenländer Andreas Wirth und allen Voran der Wiener Walter Ruck zählten zum harten Kern der Länderkammerchefs, auf den sich Harald Mara auch angesichts des zuletzt intern und medial besonders scharfen Gegenwinds verlassen konnte.

00:02:40: Dementsprechend war auch die Stimmung bei der Funktionärsversammlung in Graz.

00:02:44: Maras mehr Kulper stieß auf offene Ohren.

00:02:48: Ja, der Versuch, die Verschiebung der Gehaltserhöhung auf Juli als Halbierung der Vier Komma zwei Prozent darzustellen, war ein Fehler.

00:02:57: Der bisherige Gehaltsautomatismus werde überarbeitet, die Leistungen und Strukturen von externen Experten durchleuchtet, als Begleitmaßnahme für einen bereits eröffneten umfassenden Modernierungsschub.

00:03:10: In der Wirtschaftskammer haben das Sagen, wie überall in der ÖVP die Länder fürsten.

00:03:16: Mara konnte anfangs noch folgende Rechnung aufmachen.

00:03:19: Von den neuen Länderkammern hatten sich vier eindeutig gegen ihn positioniert.

00:03:23: Fünf glaubte er weiterhin an seiner Seite.

00:03:26: Für den machtbewussten Multifunktionär ein Grund mehr, seine Position als Kammerchef mit Zähnen und Klauen verteidigen zu wollen.

00:03:34: Mittwochabend trommelt er so noch einmal eine Runde von Vertrauten in seinem Büro im zehnten Stock der Wirtschaftskammerzentrale in der Wiedner Hauptstraße zusammen, als die kurzfristig einberufenen Mara-Vertrauten von Wirtschaftsminister Wolfgang Hartmannsdorfer bis Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger nach und nach eintrudeln, weiß der Hause ja noch nicht, dass dies sein letzter Abend als Kammerschef sein wird.

00:04:00: Fix ist, dass die Rechnung fünf zu vier für Mara nicht mehr gilt.

00:04:05: Stunden zuvor hatte sich auch der Salzburger Kammerpräsident Peter Buchmüller ins Lager der Mara-Gegner eingereit.

00:04:12: Der bisher als verbündete Gesäne-Spitzen-Funktionär steht diesen Freitag im lokalen Wirtschaftsbund zur Wiederwahl an.

00:04:20: Bis weit nach Mitternacht werden Varianten gewälzt wie Mara mit den Rücktrittsforderungen von Partei- und Kammerkollegen, der Protestwelle von Mitgliedern und dem medialen Dauerfeuer umgehen solle, bleiben und die Zeit bis zum nächsten Wirtschaftsparlament Ende November zum Werben für einen Stimmungsumschwung nutzen.

00:04:39: Als Kammer- und Wirtschaftsbundchef gehen, die angekündigte Demission zurücknehmen und Notenbankpräsident bleiben oder Nolens wohlens endgültiger Rückzug aus allen Spitzenpositionen?

00:04:53: Mara lässt sich die Entscheidung bis Donnerstag-Mittag offen, absolviert davor noch einmal eine Telefonrunde mit Unterstützern und Kritikern.

00:05:02: Für dreizehn Uhr hat er eine Videokonferenz mit allen neuen Landespräsidenten einberufen, die ihm so eine Wahrnehmung noch am Sonntag quer durch ihr Vertrauen ausgesprochen hatten.

00:05:13: Wer mich nicht will, soll mir das offen ins Gesicht sagen.

00:05:17: programmiert Mara im Vorfeld.

00:05:19: Das grode Runde macht diesmal aus seinem Herzen keine Mördergrube.

00:05:23: Vier Stunden danach nimmt Mara per Videobotschaft seinen Hut und begründet seinen Rücktritt so, ich sehe derzeit keine Möglichkeit verantwortungsvolle Beiträge für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten.

00:05:38: Sein einziges Abschiedsinterview gibt er dem Kurier, sein zentrales Argument für den Rückzug.

00:05:44: Zitat, wenn Sachargumente nicht mehr Gegenstand der öffentlichen und medialen Diskussion sind, sondern nur mehr persönliche Ressentiments und blanker Populismus, dann sehe ich in der Debatte keinen Mehrwert.

00:05:58: Und?

00:05:59: Das große Problem der letzten Woche besteht darin, mit unserer redlichen Botschaft nicht durchgedrungen zu sein.

00:06:06: Tage lang hatte er es im Büserhemd mit mehr Kulper und Entschuldigungsbitten versucht.

00:06:11: Im Abgang präsentierte sich Mara, wie ihn Freund und Feind seit Jahrzehnten erleben.

00:06:17: Selbstbewusst bis zum Arroganzanschlag.

00:06:21: Für Weggefährten und Freunde kommt Maras Harakiri mit Anlauf dennoch überraschend.

00:06:26: Sie können sich nicht erklären, so einer aus dem engsten Kreis, Zitat, wie ein derart kluger und strategisch denkender Kopf so blind in eine politische Falle gehen kann.

00:06:37: Hohe Intellektualität und Wissen sprechen ihm auch Spitzenleute in der Nationalbank nicht ab, die seinen Einzug als Präsident des Generalrats sehr kritisch sahen.

00:06:47: Er habe dank großem Fachwissen und Interesse an globalen Entwicklungen einen guten Job gemacht.

00:06:54: Dort hatte als Präsident auch viel besser hingepasst als an die Spitze der WKO, sagt ein Spitzenmann im ÖVP Wirtschaftsmilieu und fügt hinzu.

00:07:02: Dort ist er nie wirklich angekommen.

00:07:04: Einer der Hauptvorwürfe, den sich Harald Mara im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger nachhaltig erarbeitete, Christoph Leitel war regelmäßig bei den Unternehmern und Funktionären draußen und hat daher die Stimmung immer sehr gut mitgekriegt.

00:07:19: Harald Mara war dort selten zu sehen, heißt es aus der ÖVP-Wirtschaft.

00:07:24: Der Befund eines langjährigen ÖVP Wirtschaftsbund- und Kammerintimus für das Groh der Wirtschaftsbundbasis und Kammerfunktionäre blieb der einzigmal dreiundneunzig Meter Mann mit Hang zu ausgefallenen Brillen, modischen Accessoires und rhetorisch geschliffenen Auftreten ein Wesen von einem fremden Stern.

00:07:44: Mara kann in seiner Biografie zwar auf die Gründung von mehreren Kleinunternehmen in der Beratungs- und PR-Branche verweisen, startete aber mit dem Handicap von oben intronisiert und nicht von unten an die Kammelspitze aufgestiegen zu sein.

00:07:59: Christoph Leitel installierte den damaligen Ex-Wirtschaftsminister, zwei Tausend Siebzehn, in einer in den allerheiligen Ferien handstreichartig angesetzten Sitzung als seinen Nachfolger an der Spitze von Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer.

00:08:14: Leitel suchte so dem absehbaren Grabenkampf zwischen dem Möchtegern-Nachfolgern Walter Ruck, Wiener Kammerchef und dem Steirer Josef Herk aus dem Weg zu gehen.

00:08:25: Mit beiden hat sich Mara nach seiner Kühe bald sehr geschickt arrangiert.

00:08:30: Auch das Mahrer als Staatssekretär von Reinhold Mitterlener, bald die Seiten zu dessen Widersacher Sebastian Kurz gewechselt hatte, spielte im Kalkül Leitl seine Rolle.

00:08:40: Die Aussicht, künftig eine Standleitung ins Kanzleramt zu haben, beflügelte die Entscheidung zu Gunsten Maras.

00:08:47: Nach kurz Stürz sah sich Mara zunehmend auch als Schattenkanzler der Republik.

00:08:52: Wenn er gewollt hätte, lässt er im kleinen Kreis gerne wissen, hätte er nach dem Abgang von Karl Nehammer auch tatsächlich ins Kanzleramt einziehen können.

00:09:02: Dass die Dreier Koalition nach dem Absprung der Neos beim ersten Anlauf zu Jahres beginnen, im März doch noch zustande kam, heftet er sich in der Tat zurecht auf die Fahnen, da haben der Wolfgang Katzian und ich hinter den Kulissen die Weichen gestellt.

00:09:18: Lässt er gelegentlich bis heute fallen.

00:09:21: ÖVP-Intern hat er davor auch tatkräftig dazu beigetragen, dass es nicht so Blautürkis mit möchtegern Volkskanzler Herbert Kickel gekommen war.

00:09:29: Nach Platzen der Gagenaffäre ließ Mara so auch umgehend offensiv wissen, wer als deren Urheber nahe liege.

00:09:37: Aus der FPÖ wurde mir schon bei Bildung der Koalition signalisiert, dass ich bei Herbert Kickel aufgeschrieben bin.

00:09:44: Ob Mara tatsächlich an diese Dolchstoßversion glaubt oder sich mit Hinweis auf den blauen Außenfeind primär nur Parteientern zu retten suchte, bleibt offen.

00:09:54: Sie hat aber einen wahren Kern.

00:09:57: Mit dem missglückten Versuch, den Super-Gau in Sachen Glaubwürdigkeit schönzureden, hat Mara eine Welle der Kritik losgetreten, die sich in ihrer Wucht aus drei Quellen speiste.

00:10:08: Sie alle hatten eine offene Rechnung mit Mara zu begleichen.

00:10:11: Viele industrielle, aber auch Unternehmer, die auf Blau-Türkis gesetzt hatten, nehmen Mara sein Engagement gegen Kickel und für die amtierende Dreier-Koalition bis heute mehr denn je übel.

00:10:24: Sie sahen jetzt eine gute Gelegenheit für eine noch dazu populäre Gegenattacke.

00:10:29: In und außerhalb der Kammer sorgt den ÖVP-Kreisen schon seit Monaten Harald Maras Personalpolitik für Unmut hinter vorgehaltener Hand.

00:10:38: Für die tägliche Arbeit in der Kammer installierte Mara, nach dem Abgang von Karl-Heinz Kopf als Generalsekretär gemeinsam mit dem früheren niederösterreichischen Clubobmann Jochen Dunninger, erstmals auch gleich drei Stellvertreter.

00:10:52: Aber keiner der vier obersten Kammermanager hat rechtzeitig vor dem absehbaren Gagengau die Notbremse gezogen, merkt ein Kammerinsider bitter an.

00:11:02: Auch Maras engster Buddy im Wirtschaftsbund Generalsekretär Kurt Egger gilt ÖVP intern als Beleg für die These, dass sich Mara mit Leuten umgibt, die ihm nicht gefährlich werden können.

00:11:14: Total unterschätzt hatte Mara auch, wie sehr der ungenierte Griff in die Gagenkasse die Pflichtmitglieder der Kammer provozierte.

00:11:22: Da rechte sich, dass Harald in Anderns Fähren lebt und sehr selten draußen an der Basis ist, sagt ein Parteifreund.

00:11:30: So kam am Ende auch eine Entlastungsoffensive von einem höchstgewichtigen Kammerherren zu spät, der ihm bei Amtsantritt besonders ablehnend gegenüberstand.

00:11:40: Während das Gros der Kammerspitzenwelt an Mara öffentlich nicht einmal mehr anstreifen wollte, lud Wiens Kammerschef Walter Ruck für diesen Donnerstagabend Wiener Spitzenfunktionäre kurzfristig für siebzehn Uhr in die prunkvollen Räumlichkeiten der Interessensvertretung am Wiener Stubenring ein.

00:11:59: Als Hauptreferent des Abends war Harald Mahrer angekündigt.

00:12:03: Statt dem Wirtschaftskammerchef persönlich popte Schlag siebzehn Uhr auf den Handys der Anwesenden freilich nur noch dessen kurze Abschiedsbotschaft per Video auf.

00:12:14: Als Interimspräsidentin übernimmt nun auch mit dem Segen des mächtigen Walter Ruck die bisherige Vizepräsidentin Marta Schulz.

00:12:23: Die zweiundsechzigjährige Tourismusunternehmerin und rührige Frauennetzwerkerin hat aber bereits signalisiert, dass sie nur bis zur Kühe einer Dauerlösung für die Maranachfolge bleiben will.

00:12:35: Als heißer Tipp mit Außenseiterchancen für eine dauerhafte Maranachfolge gilt einer von Schulz bisherigen Vizepräsidenten-Kollegen, Philipp Gadi, Geschäftsführender Alleingesellschafter des familieneigenen Unternehmens, Gar die Family, eines der größten Landmaschinenhändlers mit siebzehn Standorten in der Steiermark, Burgenland und in Niederösterreich.

00:12:57: Der einundvierzigjährige hatte Mara in den letzten fünf Jahren immer wieder bei Auslandsreisen an der Seite des Bundespräsidenten und Regierungsmitgliedern als Chef von Wirtschaftsdelegationen vertreten.

00:13:10: Einem Wechsel an die Kammerspitze, sagen Gadi Kenner, ist der steirische Unternehmer nicht abgeneigt.

00:13:17: Er gilt als freundlich und ausnehmend höflich im Umgang, außerdem als umtriebiger Netzwerker.

00:13:24: Expertise im Umgang mit Konflikten könnte sich Gadi innerhalb der Familie holen.

00:13:29: Sein Bruder Franz Stefan Gadi ist Analyst am Institute for International Strategic Studies in London und medial immer wieder gefragter Experte für militärische Fragen und Kriegsführung.

00:13:41: Das war's mit meiner Kolumne.

00:13:43: Bis zum nächsten Mal.

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von und mit trend.Redaktion

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