00:00:02: Die beliebte Trend-Kolumne wird Ihnen von der automatisierten Stimme des Autos vorgelesen.
00:00:28: Die Kuschelkoalition hat nach einem halben Jahr demonstrativer Harmonie über Nacht ihre Unschuld verloren.
00:00:34: Wie Regierung und Wirtschaft hinter den Kulissen an einer Lockerung der Hürden für österreichische Waffenexporte und an neuen Regeln für Gegengeschäfte arbeiten, erzähle ich Ihnen ebenfalls in dieser Kolumne.
00:00:47: Das Schlagzeilen trächtige Zwillingspaar stand bereits seit Wochen auf der regierungsinternen Planungsliste.
00:00:53: Die Top-Themen der Regierungssitzung in der zweiten Septemberwoche sollten primär türkis-schwarz beflackt werden.
00:01:00: Für diesen Mittwoch stand zum einen das GO für den Gesetzesentwurf für ein Kopftuchverbot bis vierzehn Jahren in Schulen auf dem Programm.
00:01:09: Nach langem vor allem juristisch schweren Ringen hofft ÖVP Kanzleramtsministerin Claudia Blakholm ein Paragrafenwerk ins Parlament zu bringen, das nicht neuerlich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird.
00:01:23: Zudem sollte diesen Mittwoch ein zweites türkis-schwarzes Lieblingsvorhaben vom Stapel laufen, eine Reform der Sozialhilfe.
00:01:31: Im politischen Kern zielt diese auf eine Kürzung von Geldleistungen für Asylwerber ab.
00:01:37: Auslöser waren eine handvoll medial spektakuläre Fälle, in denen vielköpfige Flüchtlingsfamilien auf eine monatliche staatliche Unterstützung von bis zu neuntausend Euro kamen.
00:01:48: Eine Summe, die sich auch angesichts von elf Kindern nicht mehr kleinreden oder schön rechnen ließ.
00:01:55: Die Kompetenz für das Kopftuchverbot, das auf das politische Konto der ÖVP einzahlen soll, liegt mit Claudia Blakholm praktischerweise bei einer durch und durch türkisen ÖVP-Ministrin.
00:02:07: Die Kompetenz für eine neue, restriktivere Rahmengesetzgebung bei der Sozialhilfe, die ebenfalls primär aufs ÖVP-Konto einzahlen soll, liegt mit Corinna Schumann freilich bei einer in der Wolle gefärbten roten Ministerin und strammend Gewerkschaft drin.
00:02:23: Von Schumann kursieren just seit ihrem Aufstieg zur Ministerin immer mehr Videos von bis dahin weitgehend unbeachteten Brandreden als SPÖ-Bundesrätin gegen die ÖVP.
00:02:34: Das Misstrauen beim Aufstieg zur Ministerin war so vom Start weg gegenseitig.
00:02:38: Dazu kommt, für die praktische Umsetzung und einen strengeren Vollzug der Sozialhilfe braucht es nicht nur einen Konsens zwischen Türkis, Rot und Pink.
00:02:49: Es braucht auch vorab den Goodwill aller neuen, persönlich und politisch höchst unterschiedlich gestrickten Landeshauptleute, drei Roter, fünf Türkis-Schwarzer und eines Blauen.
00:03:01: Beim Kopftuchverbot wurde wie bei drei politisch höchst diversen Partnern nicht weiter überraschend, lange um den Gesetzestext gerungen, zuletzt aber nur noch um Detailfragen.
00:03:12: Das Vorhaben wurde diesen Mittwoch-Vormittag mit verteilten Rollen- und Argumentationsschwerpunkten aber artig konsensual präsentiert.
00:03:21: Der Plan, zeitgleich auch künftige FPÖ-Turbo-Schlagzeilen wie neuntausend Euro Sozialhilfe im Monat für Syrer Familie aus der Welt zu schaffen, musste zähneknirschend zu später Nachtstunde wenige Stunden vor dem Ministerrat auf Drängen der SPÖ von der Tagesordnung gestrichen werden.
00:03:40: Dabei handelte es sich beim Projekt Sozialhilfe Neu noch lange nicht um ein fertiges Gesetz, sondern um einen sogenannten Ministerratsvortrag.
00:03:49: Neu war primär die schriftliche Absichtserklärung für rasche Verhandlungen mit den Ländern.
00:03:54: Denn viele in der Regierung sehen Gefahr in Verzug, weil einige Landesführsten in den letzten Wochen bereits mit Umbauplänen der Sozialhilfe in ihrem Bundesland vorgeprescht waren.
00:04:06: Inhaltlich gab der geplante Ministerratsvortrag im Kern nur wieder, was bereits im Koalitionsabkommen festgeschrieben worden war.
00:04:14: Genau das wurde der SPÖ Sozialministerin in einer Online-Story der Gratis-Zeitung heute von anonymen Politiker-Kollegen vorgeworfen.
00:04:23: Konkrete Vorschläge aus dem zuständigen Sozialressort Sein Mangelware gab heute AT kritische Regierungsstimmen wieder.
00:04:32: Ein halbes Jahr nach Start der Regierung hätte die Sozialministerin mehr liefern können.
00:04:37: Jetzt soll die Koalition mehr oder weniger leer in die konkrete Phase der Reformstaaten, so der heute Stimmungsbericht aus dem Regierungsviertel.
00:04:46: Als die Pushmeldung mit dieser Story Dienstag um zwanzig Uhr fünf auf den Handys der Koalitionskoordinierer aufpopte, saßen diese gerade routinemäßig beim vorabendlichen finalen Meeting zur Vorbereitung des Ministerrats im Kanzleramt zusammen.
00:05:02: Die Chefkoordinierer Runde besteht aus den beiden Staatssekretären Alexander Pröll, ÖVP, und Michaela Schmidt, SPÖ, dem pinken Chefkoordinator Armin Hübner sowie den Klubobleuten August Wöginger, ÖVP, Philipp Kucher, SPÖ und Janik Shetty, NEOS.
00:05:22: Fallweise finden sich bei Bedarf auch Betroffene Minister in der Runde ein.
00:05:26: Die Stimmung war, ob des offenen Pokers, um Pensions- und Beamtengehaltserhöhungen ohnehin schon angespannt.
00:05:33: Mit der Push-Meldung in Sachen Sozialhilfe kippte die Missstimmung umgehend in offenen Streit.
00:05:39: Für die Handvoll Kabinettsangehörige und Mitarbeiter, die noch die letzten Jahre von Rot-Schwarz miterlebt hatten, war es ein Dijavu.
00:05:47: Für das Groh der Spitzenleute in der Dreier-Koalition war es ein Tabubruch.
00:05:52: Schließlich war es bislang eines der wenigen Assets, vom Türkis Rot Pink nach außen hin einheitlich aufzutreten und Streit und Haader ohne Leaks an Medien hinter den Kulissen zu belassen.
00:06:04: Ein Teilnehmer hält nun fest.
00:06:07: Es war das erste Mal, dass ein Vorhaben sehr konkret und mit einem massiv negativen Bayer an ein Medium vor einer wichtigen Sitzung durchgestochen worden war.
00:06:17: Die Kuschelkoalition zwischen Türkees, Rot und Pink hatte Dienstagnacht endgültig ihre Unschuld verloren.
00:06:24: Es wurde nicht, wie bislang propagiert, allein in der Sache gestritten, sondern wer hier wen medial angeschwärzt hatte.
00:06:32: Und wie das denn nach diesem offenen Vertrauensbruch nun konstruktiv weitergehen solle.
00:06:38: Weil es sich mit einem Außenfeind am besten weiterleben lässt, gaben Spitzenkoalitionäre tags darauf die Parole aus.
00:06:45: Hinter der Heute-Story stecke niemand aus dem Regierungsviertel, sondern ein missliebiger Landespolitiker, dem das Regierungsvorhaben gegen den Strich gehe und der es torpedieren wolle.
00:06:55: Fakt ist, die Sozialhilfe neu zu regeln war schon bisher ein Mammutprojekt.
00:07:00: Nach dem massiven Knarsch, schon vor dem Start der inhaltlichen Verhandlungen, wird es die Koalitionskoordinierer so noch wochenlang auf Trab halten.
00:07:09: Das könnte auch mit einem anderen Projekt der Fall sein.
00:07:13: Seit Wochen höchst diskret laufen regierungsintern Gespräche zu einem Aspekt des Ukrainekriegs, der dem Kabinett Stocker-Babler-Meinel-Reisinger neuen, höchst explosiven Zündstoff bescheren könnte.
00:07:26: Das Bundesheer schwimmt nach Jahrzehnten des Kaputtsparns seit kurzem erstmals im Geld und hat das politische Pouvoir bis Ende des Jahrzehnts fünfundzwanzig Milliarden Euro in neue Waffen, Ausrüstung und Infrastruktur für die marode Armee zu investieren.
00:07:42: Brüssel hat sich angesichts der weit über die Ukraine hinausgehenden militärischen Bedrohung durch Russland der Devise Rearm Europe, Deutsch, Europa wieder aufrüsten, verschrieben.
00:07:55: Bis zu zwei Billionen Euro sollen in die Aufrüstung der europäischen Armeen investiert werden.
00:08:01: Die EU drückt bei solchen Investments ein Auge beim Blick auf das Schuldenbarometer zu.
00:08:07: Einschlägige Ausgaben können aus der Defizit und Schuldenquote herausgerechnet werden und werden auch in allfälligen Defizitverfahren wie jenem gegen Österreich nicht schlagend.
00:08:18: Österreichische Waffenerzeuger und mögliche Subliferanten von internationalen Rüstungsunternehmen wollen bei diesem absehbar europaweiten Mega-Milliardengeschäft, wo immer möglich mitmischen.
00:08:30: Denn angesichts des Niedergangs der europäischen Autoindustrie und der stillen Abwanderung von immer mehr Industrieunternehmen sehen EU-weit Regierungen Rearm Europe derzeit als einen der wenigen potenten Treiber für einen Wirtschaftsaufschwung.
00:08:46: Im Regierungsviertel gehen zudem zwei zuletzt geplatzte Waffengeschäfte als abschreckende Beispiele um, die dringend nach Änderungen im Vollzug der bestehenden Waffenexportregeln rufen.
00:08:58: Noch in den neunzehnhundertachziger Jahren mischte Österreich bei internationalen Waffenverkäufen nach Kräften mit.
00:09:06: Steierpanzer wurden bis nach Südamerika verschifft.
00:09:09: Die Regierung ging sehr freihändig mit den formal notwendigen Exportgenehmigungen um.
00:09:15: Einige Skandale, Stichwort Norikum-Kanonen für den Iran, brachten in den Neunzehnhundertneunzigerjahren nicht nur einige Politiker und Manager vor Gericht, sondern heimische Rüstungsgeschäfte bis zum Erliegen in Verruf.
00:09:30: Seit damals wollen Minister aller Couleurs an Waffendiels persönlich nicht einmal anstreifen und überlassen den Vollzug der Waffenexportregeln dem Apparat.
00:09:40: Auch dort agieren Beamte aus Sicht der Antragsteller nach dem Prinzip Am besten an keinem Waffendeal anstreifen, um sich nicht in einem Skandal oder U-Ausschuss wiederzufinden.
00:09:51: Das heißt, einen Akt am besten solange im Kreis schicken, bis sich das Thema von selbst erledigt hat.
00:09:58: Zwei jüngst geplatzte Deals werden in Wirtschaftskreisen als dafür exemplarisch herumgereicht.
00:10:04: Die tunesische Regierung schrieb Ende des Vorjahres die Beschaffung von acht tausend Maschinengewähren aus.
00:10:11: Nachdem tunesische Polizisten bereits neunzehnthundert achtundsiebzig erstmals mit SDG siebenundsiebzig Sturmgewähren von Steier-Mannlicher, heute Steier-Arms, ausgerüstet wurden, rechnete sich Steier-Arms gute Chancen für den Nachrüstung.
00:10:29: Das Auftragsvolumen belieft sich auf dreißig bis fünfunddreißig Millionen Euro, inklusive Ersatzteillieferungen in den nächsten fünfundzwanzig Jahren.
00:10:38: Neben Österreich boten auch ein US und ein chinesisches Unternehmen mit.
00:10:43: Vor einer endgültigen Entscheidung mussten alle drei Bieter je vier Mustergewehre zum vergleichenden Test nach Tunesien schicken.
00:10:51: Steyr Arms stellte für die vier Waffen den entsprechenden Exportantrag Ende Dezember, zwei Tausend vierundzwanzig, damit innerhalb der gesetzten Frist Anfang März diese in Tunesien sein können.
00:11:03: Ein entsprechender Antrag muss vom Innenministerium in Absprache mit dem Außenministerium und unter Anhörung des Verteidigungsministeriums entschieden werden.
00:11:12: Da die nötige Bewilligung nicht rechtzeitig vorlag, verlängerte Tunesien die Frist bis sechzehnten April und schlussendlich bis sechsten Mai, zwei tausend fünfundzwanzig.
00:11:22: Alles in allem waren somit gut fünf Monate Zeit, die Ausfuhr von vier Sturmgewehren auf Herz und Nieren zu prüfen.
00:11:30: Trotz vielfacher Interventionen gab es seitens des Innenministeriums weder ein Nein noch ein Ja.
00:11:36: Das mögliche Geschäft für Steuerms platzte.
00:11:39: Experten der industriellen Vereinigung durchleuchteten den hürdenreichen Ablauf und kamen zum Befund.
00:11:46: Niemand hat etwas falsch gemacht gegen eine Frist oder ein Gesetz verstoßen, aber keiner hat sich exponiert, dass das schneller geht.
00:11:55: Konklusio Wenn die Regeln es zulassen, dass es binnen fünf Monaten keine Entscheidung gibt und damit jeder mögliche Geschäftspartner vergrault werden kann, dann muss man etwas an den Regeln ändern.
00:12:07: Heißt es aus der industriellen Vereinigung.
00:12:10: Wasser auf die Mühlen war zudem eine zweite Krauser.
00:12:14: Die mögliche Lieferung von Tausend Gewehren für die Polizei im Irak.
00:12:18: Die lokale Exekutive wird mit dem Segen der UNO und Fördermillionen aus EU-Töpfen für eine gesellschaftlich belastbare Nachies-Ära ausgebildet.
00:12:28: Im Oktober-Zw.A.
00:12:31: startete Steierarmz das notwendige Genehmigungsverfahren für die gewünschte Lieferung von ein Tausend Sturmgewehren.
00:12:38: Diesmal gab es nach gezählten elf Monaten Wartezeit am Ende doch ein Lebenszeichen aus dem Innenministerium.
00:12:46: zum Leidwesen des Unternehmens einen negativen Bescheid.
00:12:50: Im Regierungsviertel ist eine zeitgemäße Anpassung des Tempus der Bürokratie an die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens schon seit dem geplatzten Tunesiendeal im Mai ein Thema.
00:13:01: Eine entsprechende Adaptierung des Kriegsmaterialgesetzes ist nicht das einzige sensible Thema, das einige Auskenner im Regierungsviertel in Sachen Rearm Europe und neue Marktchancen für Österreich umtreibt.
00:13:15: Seit dem Eurofighter-Skandal sind auch Gegengeschäfte bei Kauf von Rüstungsgütern durch Österreich derart in Verruf, dass das Verteidigungsministerium die Finger davon lässt.
00:13:26: Ein hochrangiger Wirtschaftsmann sagt, dadurch entgeht uns nicht nur sehr viel mögliches ziviles Geschäft, wir haben auch bei einigen Herstellern schlechtere Bedingungen oder das Nachsehen.
00:13:39: Auf Initiative von Peter Kohren, Vizegeneralsegretär der Industriellenvereinigung, brütet daher gerade eine kleine Arbeitsgruppe angeführt vom Milizbeauftragten des Bundesheeres, Generalmajor Erwin Hame-Seder im Zivilberuf Reifeisen Generalanwald und Wirtschaftskammer Vizepräsident Wolfgang Hesun, Ex-Siemenschef und SPÖ-Netzwerker über neuen Spielregeln für Gegengeschäfte bei Rüstungsdeals.
00:14:06: Einer der Mitdenker und Eckpfeiler des Projekts.
00:14:09: Wolfgang Peschorn, parteiübergreifend gut beleumundeter Chef der Finanzprokuratur.
00:14:15: Peschorn soll auch bei der praktischen Umsetzung gegen Geschäfte ohne auch nur den Anschein von unsauberen Praktiken und Korruption garantieren.
00:14:24: Wunschscenario auch von Wirtschaftsminister Wolfgang Hatmannsdorfer und Verteidigungsministerin Claudia Tanner.
00:14:32: Innenverteidigungswirtschafts- und Last but not least Finanzministerium gründen eine eigene, ausgelagerte Beschaffungsbehörde, die Beschaffungen samt Gegengeschäften abwickelt.
00:14:44: Am besten wäre es, wenn bei so einer ausgelagerten und damit effizienten Behörde auch gleich die Rüstungsexportgenehmigungen angesiedelt werden, ergänzt ein beteiligter Insider.
00:14:55: Neos Staatssekretär Sepp Schellhorn sprach die heiße Kartoffel Rüstungsexporte im Kreis der österreichischen Botschafter im Ausland, jüngst auch erstmals in einem größeren Kreis offen an.
00:15:08: Diese sind dafür bei Auftraggebern vor Ort, auf die ersten Ansprechpartner und bisweilen auch die klage Mauer für gescheiterte Deals.
00:15:16: Meine Rolle ist es, alles etwas einfacher zu machen.
00:15:19: Wir müssen uns daher dringend der Frage widmen, wie novellieren wir das Kriegsmaterialgesetz, so Schellhorn bei der jüngsten Botschafterkonferenz.
00:15:27: Im kleinen Kreis machte der umtriebige gelernte Unternehmer zudem deutlich, dass es ihm nicht nur um schnellere Entscheidungen bei Waffenexporten, sondern auch um den Abbau von unnötigen Hürden und hartnäckigen Tabus geht.
00:15:41: Schellhorn.
00:15:43: Es ist doch absurd, dass beispielsweise Hersteller von Gummireifen nicht bei Aufträgen für den Bau des Pandurpanzer mitbieten dürfen, weil einige Angst davor haben, dass damit das Thema Neutralität aufgemacht wird.
00:15:56: Das war's mit meiner Kolumne.
00:15:58: Bis zum nächsten Mal.
00:16:01: Das war Politik Backstage.
00:16:04: Vielen Dank fürs Zuhören.
00:16:06: Bis zur nächsten Ausgabe.